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Eine Geschichte ohne Klapperstorch.

o. andersen

Ich finde die Geschichte mit dem Klapperstorch nicht ganz stimmig.

Müsste ich diese Geschichte zum Einsatz bringen, ich hätte doch einige Hemmnisse.

Mir kam dieses Bild immer so vor, als würden einige Farben darin nicht ganz stimmen. Welche Farben das sind, das mag aus dem Folgenden herausklingen.

Am Anfang steht ja immer die altbekannte Frage, die in jeder Generation neu gefragt wird. Die Antwort der Mutter könnte wohl so ähnlich sein, wie diese Geschichte:

Vor langer Zeit stieg ein Vogel von der Erde auf zum Himmel und begann eine Reise, die so groß war, dass er sich nicht erinnern konnte schon einmal eine so große Reise gemacht zu haben. Im Gefieder seiner Flügel wohnte die Seele eines Menschen. Und der Vogel und der Mensch, die waren gute Freunde. Wo der Vogel auch hinflog, dahin flog auch der Mensch mit, im Gefieder des Vogels. Der Vogel hatte aber auf der Brust eine weiße Feder.

Eines Tages sprach der Vogel: „Ach, könnte ich doch überall so schöne weiße Federn haben wie die ist, die ich auf der Brust habe!“

Da sprach der Mensch zu dem Vogel: „Gräme dich nicht! Wenn wir immer weiter fliegen und nicht rasten noch ruhen, so wird ganz gewiss eines Tages dein ganzes Gefieder so weiß sein, wie die Feder ist, die du über dem Herzen hast.“

Und so flog der Vogel Jahr für Jahr immer weiter ohne zu rasten und zu ruhen über die ganze Erde hin. Zu Beginn hatte der Vogel schrecklichen Durst, aber er konnte nicht trinken, denn es ging ja immer weiter auf der langen Reise. Immer höher und höher flog der Vogel und die Welt da oben war so schön, dass er seinen Durst bald vergessen hatte. Es kamen aber auch Stürme und eisige Kälte und als sie hindurch geflogen waren, da waren sie wieder ein Stückchen höher gekommen. Und als sie am höchsten geflogen waren, da sagte der Mensch zu dem Vogel: „Sieh mal, dein Gefieder ist schon an einigen Stellen ganz weiß geworden. Jetzt kannst du  wieder hinunter fliegen, denn ich möchte wieder zurück zur Erde.“

„Nun denn“, sagte der Vogel, „so wollen wir also zurückfliegen und die Augen offen halten, denn wir müssen das richtige Tor für dich finden. Denn jeder Mensch hat sein eigenes Tor durch das er gehen muss, wenn er wieder auf die Erde will.“

Und so flogen sie weit über alle Länder der Erde und hielten Ausschau nach dem richtigen Tor. Als sie bis hierher geflogen waren, da sagte der Vogel: “Jetzt sind wir angekommen, ich habe das richtige Tor für dich gefunden, denn es leuchtet wie ein Feuer.“

Da blickte der Mensch auf den Vogel und sagte. „Aber dein Gefieder, es ist noch nicht überall weiß. Auf dem Rücken, dort, wo du nicht hinsehen kannst, da sind noch dunkle Federn.“

Der Vogel seufzte ein wenig und sagte: “Es hilft wohl nichts, hier müssen wir scheiden, denn noch heute wirst du durch dieses Tor schreiten. Aber wenn wir wieder einmal zusammen fliegen, dann werden wohl auch diese Federn nach und nach so weiß werden, wie die anderen. Du aber musst nun gehen. Lebewohl! - Und damit du nicht traurig bist, werde ich es so einrichten, dass du mich bald vergessen wirst, sobald du durch dieses Tor geschritten bist. Aber fürchte dich nicht, denn ich werde bei dir sein und dich behüten bis ans Ende deiner Tage. Und erst wenn dieser Tag gekommen ist, werden wir uns wieder sehen und du wirst dich an mich erinnern und wir werden wieder zusammen sein.“

Und so könnte die Mutter weiter sprechen:

„Dieser Mensch, das warst du! Und dieses Tor, das war ich! Und so bist du zur Erde, zu uns gekommen. Und weil du dich vielleicht nicht mehr richtig an den Vogel erinnern kannst, werde ich dir von Zeit zu Zeit von ihm erzählen. Denn er ist jetzt dein Schutzengel, der dich behütet.“

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