Einige Grundlagen ägyptischer
Kultur
Die Sothisperioden |
Die ZeiteinteilungDie heutige EinteilungFür die Geschichte Ägyptens hat sich heute eine zeitliche Abfolge und Struktur eingebürgert, wie sie erstmals in den sog. "Königslisten" des ägyptischen Priesters Manetho erwähnt wurde: Altes
Reich - Mittleres Reich - Neues Reich - Spätzeit.
(Manetho: "Aigyptiaka", in Auszügen verschiedener Schriftsteller, z.B.des Josephus, nur teilweise erhalten) Manche
Autoren unterscheiden
noch etwas feiner. Alle heutigen Autoren fügen jedoch noch die
Zeiten des Verfalls als sog. Zwischenzeiten ein. Die heute
überall gebräuchliche Einteilung in "Dynastien" geht
auf Mantho zurück. Manetho lebte jedoch zu einer Zeit, die eigentlich schon gar nicht mehr ägyptisch war. Er war Berater des griechischen Feldherrn Ptolemaios (Ptolemaios war in Ägypten stationiert und als Alexander starb, nahm er dies zum Anlass, sich dort im Jahr 305 kurzer Hand selbst zum König zu machen.) Von der -F o r m- her entspricht diese Einteilung des Manetho den neuen griechischen Denkgewohnheiten. Die -A b s i c h t -dieser Listen war aber noch ganz ägyptisch: sie sollten die ungebrochene Kontinuität der ägyptischen Tradition zum Ausdruck bringen. Darin liegt auch die Schwierigkeit dieser Listen. Zeiten der Fremdherrschaft, wie z.B. die der Hyksos und andere, werden in ihr nicht oder nur am Rande9 erwähnt. Die moderne Forschung hat diese Einteilung in die bekannten Reiche gerne übernommen, da sie eine gewisse Systematik zu bieten schien. Das Kriterium solcher Einteilungen ist einerseits politischer Art (Herrschaftsverhältnisse, Dynastienfolgen), und zum anderen kultureller Art (signifikante Stile in Architektur, Plastik, Malerei usw.) Es
wird heute
gelegentlich noch die Auffassung vertreten, daß die
„eigentliche“ Geschichte immer mit der Einführung der
Schrift beginne. Besonders für die ägyptische, aber auch
für die Megalithkultur (und auch für viele andere Kulturen)
zeigt sich allerdings immer wieder, daß ein solcher
Geschichtsbegriff zu eng gefaßt ist, um zu einem Bild
vom Menschen jener Zeiten und der inneren Logik seiner Entwicklung zu
kommen. Die Einteilung der Ägypter Die
Ägypter in der Zeit
vor Manetho haben von dieser Struktur natürlich nichts
gewußt. Die Zeiteinteilung, die sie sich selbst gegeben haben,
folgte ganz andern Gesichtspunkten.
Da
gab es zum einen die in
frühen Kulturen übliche Zählung nach Regierungsjahren
des jeweiligen Herrschers. Diese Zählweise führt
regelmäßig zu Unsicherheiten bei der Datierung weit
zurückliegender historischer Ereignisse. Da macht auch
Ägypten keine Ausnahme1.
Daneben besteht nun aber die bemerkenswerte Tatsache, daß es dennoch eine Kalenderordnung gegeben hat. So unglaublich es klingen mag, dieser Kalender beginnt im Jahre 4242 (er wurde in der Gegend von Memphis eingeführt) und er bleibt die ganze ägyptische Zeit über in Kraft. Cäsar betrachtete diese Ordnung als die bestmögliche und bei uns galt sie in abgewandelter Form bis ins Mittelalter! Im Gegensatz zum Mondkalender der etwa zeitgleichen Kulturen des mesopotamischen Raumes (Babylon, Assur, Chaldäa), richtete sich die ägyptische Kultur (nicht nur beim Kalender), nach der Sonne. Der damalige Zweck war allerdings -n i c h t- die fortlaufende Zählung der Jahre im heutigen Sinne (aus heutiger Sicht könnte man sich fragen: „Welchen Sinn sollte ein Kalender denn sonst haben?“) Die Bedeutung dieser Ordnung ergibt sich aus einer zunächst unscheinbaren Besonderheit. Es wurde nämlich das Jahr zu 365 Tagen gezählt und nicht zu 365 plus einem viertel Tag, wie es dem tatsächlichen Sonnenlauf wesentlich besser entspräche und wie auch wir heute zählen. Die Folge davon ist, daß nach vier Jahren der Sonnenstand um einen Tag nicht mehr stimmt und erst nach 365 x 4 = 1460 Jahren die Übereinstimmung wieder gegeben ist2. Der Zeitpunkt dieser Übereinstimmung wurde genau registriert3. Es wurde dazu der heliakische4 Aufgang des Sirius (ägypt.: Sothis, gleichzeitig einer der Namen der Isis) beobachtet. Der Zeitraum von 1460 Jahren wird daher als Sothisperiode oder auch Sothisjahr bezeichnet. Es
erweist sich nun, daß
dieser Rhythmus für die ägyptische Kultur entscheidende Bedeutung hat.
Davon soll im Folgenden die Rede sein. |
Geschichte
im Rhythmus: Die
Sothisperioden - Ein kurzer
Überblick
Manche
Autoren nehmen eine
erste Sothisperiode von 5702 – 4242 an. Die Systematik, die sich
aus der geistesgeschichtlichen Entwicklung innerhalb der Sothiserioden
ergibt, macht eine solche allererste Periode sogar notwendig. Auch die
ägyptischen Traditionen sprechen in der ihnen eigenen
Bildersprache von einer Zeit in der die „Götter regierten".
Dennoch soll hier aus Gründen der historischen Nachweisbarkeit die
erste Periode mit dem Beginn des ägyptischen Kalenders (4242)
angesetzt werden. |
Die
erste Periode: 4242 – 2782 Die
Vorstellung, mit der 1.
Dynastie bzw. mit der kurz davor liegenden sog. Thinitenzeit habe die
ägyptische Geschichte begonnen, führte und führt auch
heute noch bei manchem Forscher zu Ratlosigkeit, was das
Phänomen der Pyramiden betrifft. Denn bei ihrem ersten Erscheinen
ist diese Kultur bereits fertig ausgebildet, alles an ihr ist
von Anfang an „ägyptisch“: der Kunstkanon mit seinen
vielfältigen Regeln in Malerei und Plastik, das ganze
physikalische und chemische Wissen, das für die Mumifizierung
nötig ist, und das hochkomplexe System der Hieroglyphen brauchen
nur kurze Zeit, um voll ausgebildet da zustehen. Diese Kultur muß
nicht erst laufen lernen, sie ist nach der Geburt eigentlich schon
erwachsen, ja sogar schon mit einer gewissen Altersweisheit
ausgestattet.
So
etwas kommt nicht
über Nacht aus dem Nichts!
Wie jede Geburt, so hat
auch diese eine „pränatale“ Phase. Und genauso wie
diese, findet auch sie im Verborgenen statt. Für die
ägyptische Geschichte ist dies eine Periode, die ohne
große äußere Zeugnisse zu hinterlassen, im Verborgenen
entwickelt, was dann, am Ende, im Moment der Geburt, auf einen Schlag
sichtbar wird.
Dabei bleibt allerdings eine Frage offen. Nach 1000 Jahren „Schwangerschaft“ – was ist der Auslöser für die Geburt zu diesem Zeitpunkt. Hätten nicht 500 Jahre auch ausgereicht? Die andere Frage: Warum überhaupt Geburt? Warum diesen Zustand verlassen, in dem man noch mit dem Göttern Gemeinschaft hat? Geburt ist doch auch Schmerz! Und in der Tat, Schmerz war auch der Auslöser. Ein ähnlicher Schmerz, der uns befällt, wenn wir merken, daß die Kindheit zu Ende ist, daß die schützende Hand der Eltern sich ein Stück zurück gezogen hat. Wo kam dieser Schmerz her? Seit ältesten Zeiten gibt es eine Tradition über die „Vier Weltalter“. Darin wird geschildert, wie sich das Verhältns des Menschen zur seinen kosmischen Ursprüngen, zur geistigen Welt, im Laufe dieser Weltalter stufenweise ändert. Da uns diese Vorstellung auf dem Wege über den frühen indischen Kulturraum bekannt geworden ist, haben sich die Sanskritnamen dafür eingebürgert. Das letzte dieser vier Zeitalter wird „Kali Yuga“, das Finstere Zeitalter genannt (Kali, indische Göttin der Nacht). Es dauerte 5000 Jahre und begann, gemäß dieser indischen Tradition, die es mit Zahlen merkwürdig genau nimmt, im Jahre 3101 v.Chr. nach unserer heutigen Zählweise. (Es endete somit 1899.) Dieses Zeitalter ist charakterisiert durch die Abnahme, durch ein graduelles Verschwinden einer unmittelbaren Einsicht in die kosmische Weltgesetzlichkeit, die ja immer den Zusammenhang zwischen dem Menschen und seiner kosmischen Umgebung beschreibt. Da in allen frühen Kulturen diese Gesetze als Wirkung individueller geistiger Wesen direkt erlebt werden konnten, und da das Denken in abstrakten Begriffen noch nicht ausgebildet war, konnten diese Erlebnisse nur in der jeweils zur Verfügung stehenden Bildsprache zum Ausdruck gebracht werden. Daher war damals das Erleben einer geistigen Welt noch wesentlich mehr mit genauem und konkretem Inhalt gefüllt, aber eben immer in der Form von Bildern, als das heute auch nur annähernd der Fall sein kann. Die häufig vorgebrachte Ansicht, dieser damalige Götterglaube sei doch eine recht primitive Form des Weltverständnisses gewesen, geht, meist unbewußt, davon aus, daß die damaligen Gottesbilder genauso entleert gewesen seien, wie unsere heutigen Gottesbegriffe. In diesem Falle hätte man in der Tat recht. Daß dem aber keineswegs so war, kann man unschwer daran erkennen, daß mit dieser Form der Wissenschaft – Wissenschaft und Religion waren ja noch nicht getrennt5 - so komplexe Vorhaben, wie der Pyramidenbau erfolgreich bewältigt werden konnten. Nach Meinung mancher Techniker, sogar erfolgreicher, als es uns heute möglich wäre. Die damalige Form der bildhaften Erkentnisgewinnung verhält sich zu der heutigen begrifflich-abstrakten Form zwar wie Tag und Nacht, aber, wie man immer wieder sehen kann, war sie um nichts schlechter, sie war nur anders. Das „Finstere Zeitalter“ besagt nun, daß diese ursprüngliche Form der direkten Erkenntnisgewinnung so nicht mehr möglich gewesen sei und übergegangen sei in eine etwas abstraktere, begriffliche Form. Wenn das stimmt, dann müsste so um 3000 herum eine Änderung, ein Umschwung, etwas Neues im Kulturverlauf zu erkennen sein. Insbesondere müßte die Entwicklung von Begriffen erkennbar sein, d.h. unter anderem: die Entwicklung der Schrift. Die Fachliteratur nimmt für den Beginn der geschriebenen ägyptischen Geschichte übereinstimmend die Zeit um 3000 an. Je nach Autor differiert das zwar um 100 bis 200 Jahre, aber im Mittel landet man etwas vor 3000. Es ist nun leicht zu sehen, daß der Pyramidenbau genau in die Zeit zwischen dem Beginn des Kali Yuga und dem Ende der ersten Sothisperiode fällt. Hier sieht man auch, daß es gar nicht darauf ankommt, ob man die Existenz der aus heutiger Sicht mythisch erscheinenden Weltalter annehmen will oder nicht. Die Enstehung der Schrift selbst zeigt diesen Bewußtseinswandel klar genug an. Dieser
Wandel des Bewusstseins
hatte natürlich tiefgreifende Folgen auf den weiteren Verlauf der
Kultur. Wenn die direkte Wahrnehmung geistig-kosmischer Kräfte
nicht mehr möglich ist, wenn sich der Blick nach "oben"
verschleiert, so richtet sich das Bewusstsein naturgemäß
mehr nach "unten" auf die irdische, materielle Welt. Und damit taucht
erstmals in der ägyptischen Kultur die Frage auf, wie diese
irdische Welt zu gestalten sei. Die erste Antwort, die diese Kultur zunächst gegeben
hat, wurde lange Zeit als "Weltwunder" empfunden: Der Bau der
Pyramiden. (Auch die jetzt erst einsetzende Mumifizierung, ein
chemisch-physikalisch hochkomplexer Prozess, zeigt, wie man sich jetzt
mit der materiellen Welt und den Eigenschaften ihrer Substanzen
beschäftigt.) Der Bau hatte natürlich noch einen weiteren Effekt. Ein solcher Bau erforderte ein Maximum an Arbeitskräften und deren Organisation. Einen gewaltige Infrastruktur mußte geschaffen werden, um die Transporte zu bewältigen und die Verpflegung sicher zu stellen. Besonders letztere erforderte ein voll durchorganisiertes System der Vorratshaltung und Verteilung, da ja der Ackerbau nicht unterbrochen werden durfte und überwiegend nur in der Zeit der jährlichen Nilüberschwemmung gebaut werden konnte. Unabhängig davon, wieviele Menschen nun wirklich am Bau beteiligt waren (dieser ewige Gelehrtenstreit soll hier nicht fortgesetzt werden), die Organisation erfaßte auf jeden Fall das ganze Land. Und dieses war ja gerade erst durch die Reichseinigung geschaffen worden. So
stellt sich der Pyramidenbau
auch als die praktische Fortsetzung dessen dar, was Menes begonnen
hatte: die Bündelung aller im Land vorhandenen Kräfte zu
einem gemeinsamen Ziel, m.a.W., die Schaffung eines Staates. Allerdings
nicht so sehr im Sinne eines Nationalstaates, sondern wohl eher in
Sinne einer gemeinsamen Mentalität. Man könnte auch sagen:
die Schaffung einer Volksseele. Aber nicht nur! Es ging um mehr. Dieser
Staat war nicht
Selbstzweck, war nicht das eigentliche Ziel. Er war aber die
Voraussetzung für das Eigentliche: die Weiterführung und
Weiterentwicklung einer Menschheitskultur,
die sich vorher auf einer anderen Stufe befunden hatte, unter den neuen
Entwicklungsbedingungen. Einer
Kultur, die jetzt, da der Blick h i n t e r den Schleier nicht
mehr möglich war, den Schritt in die Materie hinein geht,
und nun denjenigen Bereich zu gestalten beginnt, der v o r dem Schleier
liegt.
Deshalb bezeichnen wir meist nur diesen sichtbaren Abschnitt als ägyptische
Kultur, weil die Hinwendung zur Materie uns so vertraut ist und weil
alles, was, meteaphysisch, hinter
diesem Schleier liegt, uns so fremd ist. So fremd,
daß uns die Welt jenseits unserer sinnlichen
Wahrnehmungsmöglichkeiten als unwirklich, als Schein und Trug
erscheint. (Dabei vergessen wir oft, dass wir es heute bei jedem
gewöhnlichen Bürorechner bereits mit einer virtuellen
Scheinwelt zu tun haben, dass wir mit jeder Konservendose, mit jeder
gebrannten CD die moderne Fortsetzung ägyptischer
Mumifizierungstechnik vor uns haben und sich damit die ägyptische
Kultur in der unseren spiegelt.) |
Es
ist nur logisch,
daß eine Kultur, wie z.B. die altindische, die in früheren
Zeiten ebenfalls mehr hinter, als vor dem Schleier zu hause war, nun
von ihrem Standpunkt aus, wiederum die sinnliche, materielle Welt als
Schein und Trug empfunden hat. Sie hat sogar einen Begriff dafür
gehabt: „Maya“, der Schein, die Scheinwelt. Das
Fortschreiten dieser Kultur vom Bilderbewußsein der
göttlichen Welt zum mehr begrifflichen Bewußtsein der
materiellen Welt, in der die eigentlichen, die
schöpfungsimmanenten Wirkenszusammenhänge verborgen bleiben,
wurde damals als tiefster Schmerz empfunden und als Verfinsterung
erlebt (siehe dazu auch das "Märchen von der Atomkraft"). Daher
der Begriff "Finsteres Zeitalter".
Die Wortwahl „vor“ und „hinter“ dem Schleier ist natürlich relativ! Ein Bewußtsein, welches mit den sinnlich - materiellen Wahrnehmungen nichts anfangen kann, weil es sich direkt im Bereich derjenigen Kräftewirksamkeiten und Lebensprozesse bewegt, die den materiellen Erscheinungen zu Grunde liegen, muß natürlich seinerseits diese, die materielle Seite der Welt, als verborgen und undurchschaubar erleben, als „hinter“ dem Schleier befindlich. Wohingegen es, wie gesagt, für unser heutiges Bewußtsein (des Erwachsenen) gerade umgekehrt ist. Das kann immerhin zu denken geben. Der Idealfall wäre, eine Kultur zu verstehen, aus jenen Mitteln heraus, die sie selbst auch zur Verfügung hatte. Denn die Beurteilung einer Kultur mit den Mitteln unserer heutigen Abstraktionsfähigkeit, die es ja damals noch gar nicht gegeben hat, kann logischerweise nicht zum vollen Verständnis dieser Kultur führen. Daher können wir heute ein alte Kultur zwar, so genau uns das möglich ist, mit unseren Begriffen nachzeichnen, aber ein echtes Erleben solcher Kulturen muß uns notwendig verwehrt bleiben. Denn eine Deckungsgleichheit unserer Begriffswelt mit der ägyptischen Bilderwelt ist nun einmal nicht herzustellen. In der folgenden Zeichnung sind die zeitlichen Abläufe der ägyptischen Kultur im groben Überblick dargestellt. Es muß nochmals betont werden, daß die Zeitangaben, insbesondere für die frühen Abschnitte (z.B. Beginn des Alten Reiches) auch heute noch von verschiedenen Autoren nicht einheitlich gesehen werden und, zum Teil erheblich, voneinander abweichen. Die hier verwendeten Angaben folgen in wesentlichen Punkten dem klassischen Standardwerk von J.H. Breasted. Die astronomischen Daten der Sothisperioden sind hiervon natürlich unberührt. |
Man
erkennt zunächst,
daß die Einteilung nach Altem Reich usw. und die Einteilung nach
Sothisperioden keineswegs parallel laufen. Der Übergang von der
1.Periode zur 2.Periode ist besonders auffallend. Hier überlagern
sich in fast schon verwirrender Weise ganz unterschiedliche
Zeitströme. Die Reichseinigung liegt nicht in dem Schema der
Sothisperioden, sondern fällt mit dem Beginn des "Finstern
Zeitalters" zusammen. Die Pyramidenzeit schließt die erste
Periode ab, die veränderte Weltsicht, welche die zweite Periode
mit sich bringt, führt von da ab zum Tempelbau. An der Nahtstelle
zur dritten Periode steht ein weiterer solcher Markstein, der bis heute
Aufsehen erregt. Eine radikale Veränderung der Beziehung zwischen
Mensch und Welt: der erste Grundstein zur Individalisierung des
Menschen wird durch Echnaton gelegt. (siehe auch: "Echnatons Impuls") |
Die zweite Periode: 2782 – 1322 Nach dem Ende
der ersten
Sothisperiode, Ende 6. Dynastie, kommt es als Folge einer geistigen
Krise zu einem Zusammenbruch auf allen Ebenen des öffentlichen
Lebens (sog. Erste Zwischenzeit) und es beginnt die zweite Periode
(nach heute üblicher Einteilung umfaßt sie das Mittlere
Reich und einen Teil des Neuen Reiches). In der Übergangszeit
werden zwar noch einige kleinere Pyramiden errichtet, aber das
bestimmende Charakteristikum ist von jetzt an der Tempel. Genauer gesagt der Sonnentempel.
Wie die erste Periode mit dem Paukenschlag
des Pyramidenbaues endete, so endete auch diese Epoche mit einem
unvergleichlichen Höhepunkt. Das universelle Sonnenwesen, welches
als Atum-Rê in der Pyramide im Außenraum erschien, ist
jetzt bei Echnaton in das Innere eines nunmehr
individualisierten Seelenraumes
eingezogen. Während die Pyramide eine gewaltige Gruppenleistung darstellte, ist das Erscheinen des Aton
im Innern zu einer vom Einzelnen zu leistenden Erkenntnisbemühung
geworden. Daher kann Echnaton sagen: „Kein anderer ist es, der
dich kennt.“ Allerdings: Bis jetzt kann das nur einer,
der Pharao sagen. Er sagt nicht etwa stellvertretend für alle:
“Ich bin es, der dich kennt.“ Er ist der Einzige. Es sollte
noch einmal über 3000 Jahre dauern, bis jeder aus seinem Eigenerleben heraus
authentisch sagen konnte: „Ich bin ich und kein anderer.“
Bei Luther klingt das so: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.
Gott helfe mir!“ (Auf dem Reichstag zu Worms). Bei Cartesius - Descartes
ist es Selbstbewußtsein und Verzweiflung zugleich: „Cogito
ergo sum - Ich denke, also bin ich.“ Seine Suche draußen
nach der Grundlage der eigenen Existenz endet zunächst im Nichts
– der Himmel ist leer geworden6.
So muß er erkennen, daß es nur eine Gewissheit für ihn
gibt, nämlich die, daß er ein denkendes Wesen ist. Das, was
früher von den Göttern kam, die Gedanken, findet der Mensch
nun in sich selbst7 |
Die dritte Periode: 1322 – 138 n. Chr. Etwa zu Beginn dieser Periode zieht Moses aus Ägypten aus und es heißt, es habe die „goldenen und silbernen Gefäße Ägyptens mitgeführt.“ Hier wird wieder in der typischen Bildersprache zum Ausdruck gebracht, daß die ägyptischen „Weisheit der Sonne (Gold) und des Mondes (Silber)“ von da an in Moses und seinem Volksstrom weiterlebten. Nachdem die kosmische Weisheit zuerst im Äußeren dargestellt worden war (in den Pyramiden), dann ins Innere eingezogen ist (Echnaton), dieser aber den Impuls nicht für Ägypten fruchtbar machen konnte (siehe auch "Echnatons Impuls"), mußte man sich der irdisch - profanen Welt zuwenden. Es fing schon damit an, daß zum ersten mal ein Bürgerlicher, General Haramhab, Pharao wurde, oder besser gesagt, auf den Thron kam (damit ist gemeint, daß Pharao auch immer einen geistigen Rang bedeutete, der zur Führung der Kultur berechtigte. Auf dem Thron "herrscht" man nur). Unter den nachfolgenden Ramessiden wurde Ägypten mit rein äußerlichen, militärischen Mitteln zum Weltreich. Das geistige Leben jedoch, schien keinen eigenen Inhalt mehr zu haben. Es kam zu etwas, was wir heute Nostalgiewelle nennen würden. Aus der Vergangenheit stammende Kulte und künstlerische Formen lebten wieder auf. Es kam sogar zu einer Art Tourismus. Man besuchte die alten Kultstätten. Aber nicht weil sie heilig waren, nicht wegen ihrer inneren Werte, sondern wegen ihrer Schönheit, ihrern äußeren Werten. . |
1 Ein beliebter Streitpunkt auf diesem Gebiet ist z.B. der Auszug Moses aus Ägypten oder auch die Daten in der Regierungszeit Echnatons u.v.m. 2 Auch unser Jahr hat bekanntlich 365 Tage. Aber wir korrigieren den dadurch entstanden Fehler nach vier Jahren durch Einfügung eines Schaltjahres von 366 Tagen. Das tat der Ägypter bewußt nicht. 3 Da die umfangreichen Feierlichkeiten zu Ehren der Isis beim Periodenwechsel im Jahre 1322 schriftlich festgehalten und überliefert wurden, gibt es hier einen gesicherten Kenntnisstand. 4 Heliakisch: mit der Sonne aufgehend, also kaum sichtbar. Die Fähigkeiten früherer Kulturen zur astronomischen Beobachtung stellen den heutigen Zeitgenossen oft vor Rätzel. Weiß dieser doch oft schon nicht einmal mehr, den Polarstern aufzufinden. Indess ist dies eigentlich ganz normal. Unsere forscherische Neugier richtet sich eben dahin, wo wir die Grundlagen unserer Existenz annehmen: auf die irdisch – materiellen Verhältnisse (Chemie, Physik, neuerdings Gentechnik usw.) Die Forschung früherer Kulturen richtete sich aus dem selben Grund auf die kosmischen Verhältnisse, da die Grundlagen der Existenz eben dort angenommen wurden. Genau das haben wir wir ja bisher immer unter Fortschritt verstanden: das immer tiefere Eindringen in die Materie, das Aufwachen an der Materie, Freiheit durch die Materie. Erst im 20. Jhdt. (pünktlich nach dem Ende des Kali Yuga) kam das Bewußtsein auf, daß es auch ein Versinken in der Materie geben kann: den Materialismus. Ab dieser Zeit können wir beobachten, daß der Weg auch wieder nach „oben“ führt. Je mehr dies gelingt, um so heftiger wird allerdings der Materialismus reagieren. Der Weg nach unten bleibt uns nicht erspart. („Es ist schwer die Katze wieder in den Sack zu bekommen, wenn man sie erst einmal herausgelassen hat.“, Robert Lembke in einer Fernsehserie von „Was bin ich?“, Ende 20. Jhdt.) 5 Dies ist ein sprachlicher Notbehelf, da wir über keinen Begriff verfügen, der beides in sich vereint. Das, was damals „Religion“ war, würden wir heute nur teilweise als solche wiedererkennen. Denn alle alltäglichen und lebenspraktischen Bereiche, die heute zur Wissenschaft gehören, waren damals mit enthalten. An „Religion“, also die Art, wie die Welt geistig und praktisch geregelt ist, mußte man nicht „glauben“. Das war ja jeden Tag überall und für jeden sichtbar. Wir „glauben“ ja heute auch nicht an die physikalischen Formeln. Wir „erkennen“ sie. Allerdings mit dem Kopf! Damals erkannte man mit dem ganzen Menschen, mit Leib und Seele. „Adam erkannte sein Weib und sie ward schwanger.“ Hätte Adam sie damals nur mit dem Kopf erkannt, es wäre wohl nicht viel aus der Menschheit geworden. 6 Die „Entgötterung“ des Himmels findet bis in unsere Zeit hinein statt. Als Einstein, das, was einmal in früheren Zeiten eine Erkenntnis des Herzens war, umwandelte in eine Erkenntnis des Kopfes, da fand er seine Formel e = mc2. Bei Formeln steht vorne immer das Unbekannte, hinten das Bekannte. Das Unbekannte konnte man im 20. Jhdt. natürlich nicht Gott nennen, auch dann nicht, wenn die Formel tiefste Weltgeheimnisse erklären sollte. Hier steht also e, für Energie. Hinten steht das, was bekannt ist, wovon man genaue Kenntnis hat, worin man sich zu hause fühlt: die Materie, die Masse. Nun ist ja klar, daß man das Geistige nicht durch die Materie erklären kann. Wenn schon, dann eher umgekehrt. Es war also ein „geistiger“ Faktor nötig – das Licht! (in der Formel steht das c für die Lichtgeschwindigkeit). Nun war aber zu dieser Zeit das Licht selbst schon zur Materie erklärt worden, das einfache Licht konnte man nicht nehmen. Also „Quadratlicht“. Das Wesentliche an dieser Formel ist jedoch, dass die Weltgeheimnisse, die Weltenrätzel jetzt Energie genannt werden und durch die Materie erklärt werden! (Die naturwissenschaftlichen Nobelpreise werden immer an diejenigen vergeben, welche die Welt aus der Materie heraus erklären.) Was für ein weiter Weg vom Aton zum Atom. Wahrlich: das „Finstere Zeitalter“. Der an dieser Stelle in höchster Verzweiflung (und Verachtung) die Hände ringende Physiker möge akzeptieren, dass man jede Erkenntnis, auch und gerade eine wissenschaftliche, von verschiedenen Standpunkten aus betrachten kann. Diese Betrachtung hier, von einem philosophischem Standpunkt aus, ist sich völlig darüber im klaren, daß damit absolut nichts über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Formel vom physikalischen Standpunkt her ausgesagt wird. Diese Formel hat ja u.a. zur Weiterentwicklung der Atomphysik geführt und zum Bau von Atombomben. Bereits den damals beteiligten Physikern war klar, daß man Hiroshima und Nagasaki nicht nur vom physikalischen Standpunkt aus betrachten darf. Dem hochgebildeten Physiker Robert Oppenheimer entfuhr bei der ersten Testexplosion in der Wüste von Alamogordo (16. Juli 1945) spontan ein Zitat aus der Bhaghavad Gita: "Und wenn das Licht von tausend Sonnen am Himmel plötzlich bräch' hervor zu gleicher Zeit, das wäre gleich dem Glanze dieses Herrlichen - und: Ich bin der Tod, der alles raubt, Erschütterer der Welten." Und später mußte er sich eingestehen: „Wir haben das Werk des Teufels getan.“ (zitiert nach Robert Junck). Gerade der Alleinvertretungsanspruch der materialistischen Wissenschaft – eigentlich ein Phänomen mittelalterlicher Theologie in neuzeitlichem Gewand – hat zur Katastrophe geführt, wie immer, wenn eine Weltanschauung, gleich ob Wissenschaft oder Religion, sich als die einzig wahre betrachtet. Die theorethische „Entgötterung“ des Himmels durch Einstein fand noch eine Steigerung in der Praxis. Als am 12. April 1961 der russische Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch aus dem Weltraum zurückkehrte, da kam es zu einer der erschütternsten Szenen dieses Jahrhunderts. Der Flug war rund um die Erde mit äußerster Spannung verfolgt worden und die Menschen in der ganzen Welt hatten vor allem die eine Frage: „Was hast Du gesehen?“ Das ist so die Art, wie man fragt im 20. Jhd., wenn man wissen will, ob es einen Gott da oben gibt. Gagarin wußte natürlich, dass diese Frage kommen würde und er war sich in diesem Moment völlig bewußt, wie die Frage gemeint war. Er zögerte keinen Moment mit seiner Antwort an die Journalisten und sagte: „Ich habe keinen Gott gesehen. Also gibt es ihn nicht.“ Damit war der Himmel nun entgültig auch in der Praxis leer geworden. Man brauchte diese unbequeme Größe bei der Eroberung des Himmels, in den Formeln für die Weltraumfahrt nicht zu berücksichtigen. (Ein russischer Chirurg schrieb daraufhin in einem Leserbrief, auf Gagarin Bezug nehmend: Er habe schon viele kluge Gehirne operiert, aber er habe noch nie einen Gedanken darin gesehen.) 7 Sogar die Griechen kannten zumindest anfangs das Erlebnis des eigenen Gedankens noch nicht. In Homers "Ilias" sind es noch die Götter, welche die Menschen inspirieren und zu ihrem Schiksal führen. Die Gestalten der ägyptischen Plastik mögen vielleicht auch ein Schiksal haben, aber es ist keines, auf das sie den geringsten Einfluß hätten (siehe z.B. die Statue des Mykerinos) |