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Abteilung Kulturen  
Beiträge zur Bewußtseinsgeschichte der ägyptischen Kultur

Zum  Mutterrecht in Ägypten

Dieser Beitrag soll nur ein exemplarischer Hinweis auf das Thema sein. Ein gründliche Behandlung ist im Rahmen dieser Beiträge vorläufig nicht möglich. Hier muß auf die umfangreiche Literatur verwiesen werden.

Zum Mutterrecht gibt es, man möchte fast sagen: naturgemäß,  recht unterschiedliche Meinungen, die gelegentlich recht ideologisch motiviert sind. Die zahlreichen Formen von Mutterrecht und Vaterrecht sind in den verschiedenen Kulturen sehr fließend. In Ägypten kann zwar keinesfalls von einer rein mutterrechtlichen Kultur gesprochen werden, aber eine Reihe starker mutterrechtlichen Formen ist zweifelsfrei nachzuweisen.

Gerade in Afrika haben mutterrechtliche  Formen eine lange Tradition, die in einigen Gebieten bis heute lebendig ist.

So geht z.B. die Erbfolge bei den Tuareg auch heute noch über die weibliche Linie.

Bezüglich Ägyptens ist hier an erster Stelle natürlich die bekannte Tatsache anzuführen, daß die Pharaonenwürde nur über die weibliche Linie weitergegeben werden konnte. Die Verbindung mit einer Tochter des herrschenden Hauses war der einzige Weg. Sollte nun der Sohn eines Pharao wieder Pharao werden, so mußte er seine eigene Schwester zur „Großen Königlichen Gemahlin“ nehmen. Dieses bekannte Phänomen der Geschwisterehe mag in der Regel ein mehr formaler Staatsakt gewesen sein. Es gibt aber auch Anzeichen dafür, dass zumindest aus einigen solcher Ehen auch Nachkommenschaft hervorging. Hier sind Reste des früheren unterägyptischen Mutterrechtes deutlich zu erkennen. Ein reines Mutterrecht ist dies aber nicht mehr. Es stellt eher einen „Kompromiss“ zum alten oberägyptischen Vaterrecht dar.

(Siehe auch die Fußnote weiter unten auf dieser Seite) 

Hier werden einige der Quellen, aus der ägyptischen Zeit, sowie einige Zitate von griechischen Autoren angeführt.

Aus ägyptischen Quellen:

Aus einem Liebesgedicht aus der Zeit Ramses II:
„Oh, mein schöner Liebling! Meine Sehnsucht geht dahin, als deine Gattin zugleich die Herrin all deiner Besitztümer zu werden.“

In mehr als dreiviertel aller Liebesgedichte kann die Frau als werbender Teil aufgefaßt werden. War die Werbung erfolgreich, so kam es zu einem Ehevertrag, wie etwa dem folgenden:

Ein ägyptischer Ehevertrag:
„Ich beuge mich vor deinen Rechten als Frau. Vom heutigen Tag an werde ich mich nie mit einem Wort deinen Ansprüchen widersetzen. Ich erkenne dich vor allen als meine Gattin an, habe aber selbst nicht das Recht, zu sagen: Du hast meine Gattin zu sein. Nur ich bin dein Mann und Gatte. Du allein hast das Recht zu gehen. 
Vom heutigen Tag an, da ich dein Gatte bin, kann ich mich deinem Wunsch nicht widersetzen, wo immer es dir hinzugehen belieben mag.
Ich gebe dir (es folgt eine Liste der Vermögenswerte). Ich habe keine Gewalt über deine Transaktionen. Meine Rechte an jedem Dokument, das von irgendwelchen Personen zu meinen Gunsten aufgesetzt wurde, habe ich dir hiermit übertragen. Du hältst mich gebunden jede solche Zession anzuerkennen. Sollte mir jemand Gelder einhändigen, die jetzt dir gehören, so habe ich sie an dich ohne Verzug und Widerstand abzuliefern. Weiter werde ich dir (es folgen mehrere Geldsummen) zahlen.“

Ramses III:
„Der Fuß einer ägyptischen Frau kann wandern, wohin es ihr gefällt, und niemand kann sich ihr widersetzen.“

Griechische Autoren:

Sophokles:
“Ha, wie sie ganz die Sitten des Ägyptervolkes nachahmen! Dort hält das Volk der Männer sich zu Haus und schafft am Webstuhl, und die Weiber fort und fort besorgen draußen für das Leben den Bedarf.“

Diodor: 
„Unter den Bürgern ist der Gatte nach dem Ehevertrag das Eigentum der Frau. Es wird zwischen ihnen festgesetzt, daß der Mann der Frau in allen Dingen gehorchen soll.“

Fußnote:
Reines Matriarchat ist sehr viel "radikaler". Es kann u.a. bedeuten, daß der Mann nur kurzzeitig, zwecks Hervorbringung von Nachkommenschaft, im Hause der Frau geduldet wird. Diese Form der sog. "Besuchsehe" ist sogar heute noch bei einigen regionalen Gemeinschaften des kommunistischen(!) China üblich. Die Frauen dort haben in keiner Weise das Bedürfnis nach einer "festen Bindung". Sie betrachten ihre Lebensweise als Privileg, das sie auf keinen Fall aufgeben wollen. Nach ihrer Auffassung dürfen sämtliche Angelegenheiten, die unmittelbar mit "Leben" zu tun haben, nur von Frauen geregelt werden. Dies hat u.a. zur Folge, daß die Feldarbeit nur von Frauen gemacht werden darf. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß in der Vergangenheit mancher westliche Feldforscher gerade dies als Zeichen patriarchaler Strukturen mißdeutet hat.
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