Megalithkultur

Poskaer Stenhus - eine Kalenderanlage 3

Aequinoctium 

Begriffsklärung:

Für archäoastronomische Untersuchungen bedarf der Begriff der Tag- und Nachtgleiche (Aequinoctium) der Erläuterung.

  • die astronomische Tag- und Nachtgleiche bei einer Declination der Sonne von 0° teilt den TAG in zwei gleiche Teile: eben Tag und Nacht. Sie teilt jedoch NICHT das JAHR in zwei gleiche Teile. Die Bahn der Erde um die Sonne ist kein genauer Kreis, sondern sie hat eine leichte Elipsenform. Bei einer Elipse steht die Sonne nicht, wie es beim Kreis der Fall wäre, in der Mitte, sondern in einem der sogenannten Brennpunkte. (siehe Abb. 4). Daher ist der Weg der Erde im Sommerhalbjahr nicht genauso lang, wie im Winterhalbjahr. Sommerhalbjahr und Winterhalbjahr sind also unterschiedlich lang.
  • das "megalithische Aequinoctium" bei dem die Sonne eine Decliantion von +0.6° hat, teilt das JAHR in zwei gleiche Teile, was den Anliegen und Bedürfnissen des Megalithikers eher entsprach. Nimmt man die Sonnenwenden hinzu, ergibt sich das auf Felsritzungen zu findende rechtwinkelige Kreuz im Kreis (rote Linien in Abb. 4). Es stellt räumlich dar, was in der Zeit abläuft (siehe auch die Abbildung unter "Allgemeine Grundlagen"). Der Begriff des megalithischen Aequinoctiums kommt in der mir bekannten Literatur nicht vor. Er wird hier eingeführt, um den Unterschied deutlich zu machen.
Die Anlagen auf den britischen Inseln sind fast ausnahmslos auf das hier so genannte "megalithische" Aequinoctuim ausgrichtet. (nach Prof. A. Thom)
 
Aequinoctium_Solsticium
Abb. 4 Astronomische und "megalithische" Tag- und Nachtgleiche. Die Darstellung ist übertrieben gezeichnet; In der Realität weicht die Elipse nur leicht von der Kreisform ab.
Gestrichelter Bereich: Die Sonnenwenden teilen das Jahr in zwei gleich lange Zeitabschnitte.
Blauer Bereich: Die astronomischen Tag- und Nachtgleiche teilt den Tag in
zwei gleich lange Zeitabschnitte  (Declination 0°),  jedoch nicht das Jahr, denn der blaue Bereich ist kleiner als der Rest der Elipse.
Gelber Bereich: Die "megalithische" Tag- und Nachtgleiche teilt das Jahr in zwei gleich lange Zeitabschnitte. Die Verbindungslinien (rot) bilden ein Kreuz mit gleich langen Armen. Die Herbst- und Frühjahrspositionen der Erde sind dabei leicht zum Sommer hin verschoben. (Declination +0.6°). Der Ausdruck Tag- und Nachtgleiche ist daher streng genommen nicht mehr zutreffend.

Auswirkungen in der Praxis
Für Poskaer Stenhus bedeutet das, dass der Punkt am Horizont, an dem die Sonne aufgeht, bzw. untergeht, um fast 1° gegenüber dem astromonischen Aequinoctium verschoben ist. Dies entspricht knapp zwei Sonnendurchmessern; ein Betrag, welcher durchaus sichtbar ist.

Die Berechnungsmethode:

Die rechnerischen Grundlagen sind in ihrer Anwendung überschaubar und auf jedem besseren Taschenrechner möglich.

Der Winkel zwischen geographisch Nord und dem Punkt am Horizont, an dem die Sonne oder der Mond auf- oder untergeht wird Azimut genannt. Es wird von Norden aus über Ost gezählt.

Zur Berechnung des Azimutes A werden folgende Werte benötigt:

Die geographische Breite φ (phi), die Declination δ (delta) der Sonne für das zu untersuchende Datum, die Horizonthöhe h, welche um einen Betrag v  verbessert werden muss, der die starke Lichtbrechung in Horizontnähe berücksichtigt.
Die Berechnung der Azimutes A ergibt sich dann aus folgender Formel:

cos A = (sin δ : cos φ) - (tan φ x sin hv)  (x steht hier für das Multiplikationszeichen)

Die Formel bezieht sich auf die Mitte der Sonnenscheibe. Besonders für den Sonnenaufgang kann eine Korrektur auf den oberen Sonnenrand sinnvoll sein, da in vielen Fällen das erste Erscheinen der Sonne über dem Horizont (oberer Rand) beobachtet wurde.

In der folgenden Zeichnung sind die errechneten Richtungen für die megalitische Tag- und Nachtgleiche eingetragen.

Poskaer Stenhus Aequinoctium
Abb. 5  Poskaer Stenhus - Aequinoctium
Die Steine NORTH X und WEST liegen mit erstaunlicher Genauigkeit in Richtung des errechneten Sonnenaufganges. Eine zweite Visierlinie besteht bei WEST 1 und TRUE EAST. Diese dürfte allerdings nur mit gewisser Einschränkung zu verwenden sein, da die Steine des Steinkreises die Blickrichtung versperren. Für den Sonnenuntergang gibt es "nur" eine Visierlinie von TRUE EAST  tangential am Steinkreis vorbei.

Es mag zunächst erstaunen, dass hier nicht von Stein zu Stein visiert wird, sondern tangential am Steinkreis vorbei.
Hier zeigt sich eine Besonderheit der Anlage. Für einen Beobachter, der z.B. am Stein TRUE EAST steht, bildet ein (in diesem Fall südlicher) Stein des Steinkreises, an dem er (tangential) vorbei sieht, zusammen mit dem Horizont ein Kreuz. Zwei senkrecht aufeinander stehenden Linien - Stein und Horizont - stellen eine Art "Fadenkreuz" dar und sind optimal geeignet zur Beobachtung eines bestimmten Punktes.
Es sei kurz erläutert, weshalb hierin eine Besonderheit gesehen wird.
Poskaer Stenhus liegt auf Mols, einer Moränenlandschaft, die für dänische Verhältniss fast schon ein "Gebirge" darstellt. Die Horizontlinie um Poskaer Stenhus herum bewegt sich von 0° bis 6°. Im Falle von Visierlinien, die tangential am Steinkreis vorbei gehen, ist es also vorteilhaft, wenn der betreffenden Stein des Steinkreises vom Beobachter aus gesehen auf gleicher Höhe mit dem Horizont liegt, sodass immer ein "Fadenkreuz" entsteht. Da nun die Horizonthöhen recht unterschiedlich sind, sollte der Standpunkt des Beobachters ebenfalls auf entsprechend unterschiedlichen Höhen liegen. Die Besonderheit in Poskaer Stenhus wird nun darin gesehen, dass dies hier tatsächlich für alle in Frage kommenden Punkte der Fall ist.
Zum Beispiel beträgt der Höhenunterschied zwischen den östlichen und dem nördlichsten Stein (North X) ca. 3 m!
Ob das Gelände entsprechend den Erfordernissen umgeformt wurde oder ob es sich um einen natürlichen Geländeverlauf handelt, ist heute nicht mehr zu erkennen. Unabhängig davon, zeigt sich hier ein hohes Maß an vorausschauender Planung.
Das Bild von der primitiven (Jung)Steinzeithorde bedarf dort, wo es immer noch in den Köpfen steckt, einer deutlichen Korrektur.


Zu den spannendsten Aspekten der Archäoastronomie gehört zweifellos der  Moment, wo man vor Ort steht und die Sonne tatsächlich dort untergehen sieht, wo sie, laut Rechnung auch untergehen soll. Daher sei auch dem Leser im folgenden Bild dieser Moment gegönnt.

PoskaerStenhus_Equinox
Abb. 6  Poskaer Stenhus Sonnenuntergang zum megalithischen Aequinoctium am 21.09.08 (Photo by Frantz Lundby)
Obwohl an diesem Abend eine Wolkenbank von ca. 1° über dem Horizont lag , kann man deutlich sehen, dass der wenige Minuten später stattfindende Untergang etwa im "Fadenkreuz" liegt . Das astronomische Aequinoctium liegt bekanntlich am 22. September (an diesem Tag betrug die Declination 0° 01' 28" bei Sonnenuntergang). Am Tag zuvor, am 21. September 2008 lag die Declination der Sonne zur Zeit des Sonnenunterganges bereits bei etwa +0.75° ( 0° 45' 16" - beide Werte für Horizonthöhe 0.5°, aufsitzende Sonne).

Es muss allerdings klar sein, dass diese Aufnahme von der Position aus gemacht wurde, an der die richtige Lage des östlichen Steines angenommen wurde (True East). Obwohl diese Position wohl begründet ist (siehe vorhergehende Seite), bleibt es dennoch eine Annahme.
Der Sonnenaufgang konnte in diesem Jahr wegen dichter Wolkendecke nicht dokumentiert werden.

Das nächste Datum betrifft eines der wichtigsten megalithischen Feste, welches im englischen Sprachraum bis heute begangen wird: Samhain/Halloween. Die Declination der Sonne beträgt zu diesem Zeitpunkt -16°, was in diesem Jahr (2008) am 5. November der Fall ist.
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